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Manöver aus dieser Zeit.
Auch in der NATO begann es nach 1990 wie in vielen Ehen zu kriseln, und es
gehörte zu den großen Leistungen dieses Bündnisses, dass es nicht nur bestehen
blieb, als ihm der Gegner gleichsam abhanden gekommen war, sondern sich auf
seine Grundsätze des Anfangs zurück besann. Die NATO war von Anfang an mehr
als ein ordinäres Verteidigungsbündnis zwischen souveränen Staaten gewesen; die
NATO hatte auch einen politischen Auftrag, und der ließ sich einfach formulieren:
Freiheit und Demokratie. Dass der Auftrag in Zeiten des Kalten Krieges nicht lautete:
Freiheit und Demokratie auch da wieder herzustellen, wo sie außerhalb des
Vertragsgebiets verlorengegangen waren, hatte dieses Bündnis als ein rein
defensives ausgewiesen, und es ist manchem Seemann und Offizier schwergefallen
nichts zu tun, wenn im Osten Deutschlands schreiendes Unrecht geschah,
Menschen an der Grenze verbluteten, desperate Fluchtversuche über die Ostsee
scheiterten.
Aber nach dem Ende der West-Ost-Auseinandersetzung stellte sich die Frage immer
dringender und zwingender: Was war, wenn diese beiden Prinzipien auch außerhalb
des Bündnisgebietes verletzt wurden? Gab es eine Verantwortung jenseits aller
Verträge, wenn es um Menschenrechte, Freiheit und Moral ging? Gab es ein
unverletzliches Grundrecht auf Menschenwürde, wo immer in der Welt?
Musste Verantwortung übernommen werden, auch wenn sie den eigenen Völkern
anscheinend nicht unmittelbar einleuchtete? Mussten Freiheit und Demokratie nicht
in die ganze Welt getragen werden -wie es einst das christliche Missionsgebot
gefordert hatte? War der internationale Terrorismus nun nicht jener perfide
„asymmetrische“ Feind, den es weltweit zu bekämpfen galt? Als der deutsche
Zerstörer „Lütjens“ am 14. September 2001 die „USS Winston S. Churchill“ passierte,
ließ der Kommandant, Fregattenkapitän Michael Meding, Front pfeifen, die
amerikanische Flagge auf Halbmast setzen und ein Transparent entrollen: „We stand
by You“. Jenseits solcher Gesten musste sich die westliche Gesellschaft mit diesen
neuen Herausforderungen auseinandersetzen, und sie ist längst noch nicht damit
fertig.
Dabei kam die Marine besonders ins Spiel, und zwar in einer Art, die auf der einen
Seite als ebenso alt wie problematisch, auf der anderen als vollkommen neu
erschien.
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