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Diese 1955 gegründete Bundesmarine stand ganz in der Tradition der Brommyflotte; eine ihrer ersten Ausbildungseinheiten war nach dem Admiral von 1848 benannt. Die kläglichen Geleitboote des Anfangs erhielten bombastische Namen: „Scharnhorst“ und „Gneisenau“. Die Namen der preußischen Reformer sollten nicht auf die Schlachtkreuzer der Kriegsmarine verweisen, sondern auf den Geist der Erhebungszeit -und hier blitzt wieder der dialektische Zusammenhang zwischen Macht und Liberalismus, Staat und Demokratie auf. Die Bundesmarine verstand sich von Anfang an als Nachfolgerin der Reichsflotte von 1848. Zu jedem runden Geburtstag gab es eine Feier. Die letzte fand vor genau zehn Jahren in Stralsund statt und man kann prophezeien, dass es im Jahr 2018 wieder eine Feier geben wird -vielleicht im Nationaltheater von Weimar?

Bonn war nicht Weimar, hatte Weimar dennoch viel zu verdanken -im Guten wie im Bösen, und so war die Bundesmarine von Anbeginn immer auch ein Machtinstrument des Staates, das mit dafür zu sorgen hatte, dass die demokratischen Grundsätze der Bundesrepublik gegen jedermann verteidigt wurden. Nach Lage der Dinge waren das jene Mächte, die sich zum Warschauer Pakt zusammengeschlossen und kein Hehl daraus gemacht hatten, dass sie der Bundesrepublik samt ihrer Marine am liebsten den Garaus gemacht hätten.

Die Jahre von 1955 bis 1990 wurden trotz aller weltpolitischen Krisen durch eine große Kontinuität bestimmt. Die Marine konnte sich auf der einen Seite voll und ganz im Volk und in dessen Demokratie geborgen fühlen, auf der anderen sich als Machtinstrument dieses Volkes auf einen Fall sorgfältig vorbereiten, der eben deswegen nie eintrat. Die Geschichte des Kalten Krieges ist die perfekte Illustration des dialektischen Prinzips. Zum Glück beherrschte es die Sowjetunion auch, und das garantierte den Frieden. Der Frieden war der Ernstfall: Kein Spruch eines Bundespräsidenten war intelligenter als dieser von Gustav Heinemann. Nie waren Macht und Demokratie enger miteinander verflochten als in diesen Jahrzehnten, und man wird es als Krönung eines hundert Jahre lang währenden Sehnens ansehen können, dass zum ersten Mal seit 1848 eine deutsche Marine mit den großen Seemächten des Westens in der Konstruktion der NATO dauerhaft verbunden und damit selbst zu einer echten Seemacht geworden war. Ähnlich wie schon 1848, aber doch ganz anders, denn nun bildeten die verschiedenen westlichen Marinen eine unauflösbare Schicksalsgemeinschaft. „Northern Wedding“ hießen große NATO-
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