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1941. Perversion kann man viertens auch darin sehen, dass die Kriegsmarineführung alle alten Traditionen, nach denen sich die deutschen Marinen „nach England“ zu richten hatten, weil dieses über die reichhaltigste maritime Erfahrung verfügte, zugunsten eines maßlosen Konzepts über Bord gab. Das widersprach allen Lehren der Geschichte. Und schließlich, trauriger Höhepunkt: die Verschmelzung des absolut Bösen mit der personell höchsten Spitze der Marine: Nicht Hitler, Dönitz war der letzte „Führer“ des „Dritten Reiches“. Die Marine war 1945 so entsetzlich diskreditiert, wie noch nie in ihrer Geschichte.

Man kann 160 Jahre deutsche Marine nur von diesem Tiefpunkt aus begreifen. Schließlich konnte es dazu nur kommen, weil das Gelände der Marinegeschichte eher einer Hochebene glich, in der die Prinzipien von Demokratie und Liberalismus die Geländestrukturen bestimmten, und zwar in jener Form, die sich als die allein überlebensfähige herausgestellt hat - wieder ließe sich England als Beispiel nehmen: Trotz der tödlichen Bedrohung der Insel seit der Niederlage Frankreichs im Juni 1940 hielt sie an ihren demokratisch-liberalen Idealen fest, wusste diese aber mit dem Prinzip von Macht und Führung durch die Obrigkeit zu verbinden, dafür steht die Gestalt von Winston Churchill, der bereits im Ersten Weltkrieg bewiesen hatte, wessen ein demokratisch-liberales maritimes Großreich fähig war.

Die grauenvollen Erfahrungen des „Tausendjährigen Reiches“, das es auf klägliche zwölf Jahre brachte, lassen die deutsche Marinegeschichte insgesamt neu deuten, und hier muss man zunächst wieder ins 19. Jahrhundert zurück, genauer: in die Jahre 1850 bis 1852. Tiefer, so die patriotischen Zeitgenossen der Kaiserzeit, habe die Idee Marine gar nicht mehr sinken können. Die Reste der Bundesflotte wurden weit unter Preis versteigert. Als Symbol dafür galt immer jener Sarg, der als letztes Inventarstück der Flotte von Hannibal Fischer aufgerufen wurde. Nun schien der Traum von der Reichsmarine ausgeträumt, nun ging es wieder um Klein-Klein, die preußische Matrosenstation und die „Gazelle“ des preußischen Königs auf dem Wannsee wirkten wie lachhafte Symbole.

Aber nichts war so, wie es schien, und als der Schoner „Frauenlob“ im Taifun am 2. September 1860 vor Yokohama mit Mann und Maus unterging, war das während eines der ehrgeizigsten maritimen Unternehmungen der preußischen Marine, die sich selbst als die legitime Nachfol-
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