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sondern mit ihnen. Der Entschluss zum Flottenbau wurde von den alten Gewalten und der jungen demokratischen Kraft gemeinsam getragen. Von daher wird es verständlich, dass allen Marinen der Zukunft nicht nur der Geruch des Kaiserlichen und Kriegerischen, sondern auch des Liberalen und Demokratischen anhaftete. Damit hat man die anfangs gesuchte Klammer um alle deutschen Marinen seit 1848, und wir feiern 160 Jahre Marine als parlamentarische Demokratie und wehrhafte Republik zugleich.

Freilich war das keine geradlinige Entwicklung. Es gab schlimme Rückschläge. Den schlimmsten Rückschlag gab es im „Dritten Reich“, welches daher eine besondere Rolle spielt. Aber man darf nicht vergessen, dass zwölf Jahre von 160 nur 7,5 % ausmachen, und auch wenn der Einwand berechtigt ist, dass hier weder mechanisch noch quantitativ verfahren werden darf, bleibt es doch unbestritten: Die allermeisten Frauen und Männer der Marine haben Hitlers Marine eben nicht gedient. Diese dürfen den gleichen Anspruch auf historische Würdigung erheben wie jene, welche die Idee der Marine im Nationalsozialismus pervertierten.

Von Perversion kann man mit Fug und Recht sprechen. Zum Ersten verriet die Kriegsmarine ab 1935 ihre eigenen Traditionen, indem sie sich willig einer Diktatur öffnete, von der zu diesem Zeitpunkt die hohe Führung wissen konnte, dass sie nicht nur Demokratie und Parlamentarismus, sondern auch den Frieden zu torpedieren und Menschen physisch auszurotten suchte - die Marineleitung machte mit, allem späteren Leugnen zum Trotz. Zum Zweiten inszenierte sie mit Partei und Staat ein betrügerisches politisches Spiel, gemeint ist der deutsch-englische Flottenvertrag vom 18. Juni 1935. Für die Briten die anscheinende Einhegung des deutschen maritimen Ehrgeizes, war er für die Deutschen das trojanische Pferd, in dem die kläglich-kleine Kriegsmarine sich solange verstecken sollte, bis sie die englische Machtstellung herausfordern konnte: ab 1940. So findet man es in den entsprechenden Dokumenten. Zum Dritten war die Marine bereit, das nationalsozialistische kontinentale Vernichtungskonzept im Osten Europas zu tolerieren, denn Hitler korrumpierte die Marine, indem er ihr versprach, nach Abschluss der kontinentalen Expansion binnen weniger Jahre, Raeder meinte spätestens ab 1949, die Weltherrschaft anzustreben. Träger dieses Anspruchs aber sollten nicht Heer und Luftwaffe, sondern eine aufgeblasene Marine sein. Auch diese Pläne liegen vor, vom sogenannten „Z-Plan“ bis zu den hypertrophen Zukunftsszenarien aus den Jahren 1940 und
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